Auf den ersten Blick mutet es wie ein riesiger Fels an, aber eigentlich handelt es sich um ein „Stück Berg“, das seit Urzeiten von der umgebenden Felswand abgerutscht ist, ein Verbindungsglied zwischen dem Gennargentu-Massiv und dem Golf von Orosei. Pedra Longa ist ein Dolomit-Kalksteinblock und (abgebrochener) fester Bestandteil des riesigen Baunei-Plateaus. Seine „felsnadelartige“ Form erhebt sich bis zu einer Höhe von 128 m aus dem Meer: Er ist eine der höchsten direkt aus dem Meer ragenden Felsspitzen der Insel und wurde 1993 zum Naturdenkmal erklärt. Sein eigentlicher Name ist Aguglia oder Agugliastra, wovon sich Ogliastra ableiten könnte und der den Eindruck einer Form vermittelt, die unten breiter und oben schmäler ist. So wurde er früher von den Seeleuten genannt und in den Segelhandbüchern verzeichnet, weil er ein weithin sichtbarer Bezugspunkt war.
Die beeindruckendste Art, ihn zu erkunden, ist über Wanderwege, die bergab von den Felsklippen zur Küste führen. Er ist der Ausgangspunkt des „Selvaggio blu“, einer einwöchigen Route, die von Santa Maria Navarrese, einem Ort an der Baunei-Küste, nach Cala Gonone führt, der anstrengendsten Wanderung Italiens mit „bergsteigerischen“ Abschnitten und atemberaubenden Szenarien, die von Felsen bis zum Meer reichen. Die erste kleine Etappe führt nach Pedra Longa, das eindrucksvoll an die wesentlich anspruchsvolleren Prüfungen der folgenden Tage annähert und auf sie vorbereitet. Auf den viereinhalb Kilometern der Strecke zeigt sich die Ogliastra in ihrer ganzen Schönheit: Auf der steil zum Meer abfallenden Terrasse, kurz vor dem Ziel, kann man sie auf Fotos verewigen. Von Pedra aus nordwärts, führt ein bequemer, parallel zur Küste verlaufender Weg in die Ortschaft Loppodine. Ein anderer, schwierigerer Weg mit steilem Gefälle führt hinter dem „langen Stein“ nordwärts, wo der Giradili-Gipfel majestätisch emporragt, das „Dach" des Golfs, das mit seinen 700 Metern zu den höchsten Felsklippen des Mittelmeers zählt. Der erste Kletterpfad auf der Pedra, der als „Licht ohne Erinnerung" bezeichnet wird, stammt aus dem Jahr 1981 und ist eine 250 m lange Querung, in einer Höhe von zwei bis zehn Metern über dem Wasser. Die Route mit einem Schwierigkeitsgrad bis V+ (Fünftes Grad) ist frei, ohne Haken und Seile: Erfahrene Kletterer können sie nach Belieben erklimmen. Ein zweiter Pfad an der Südwand, den so genannten „Seeräuberchromosomen“, ist atemberaubend schön, allerdings mit großer Vorsicht und in Begleitung von Führern zu bewältigen. Pedra Longa zeigt den Beginn der spektakulären, wilden Baunei-Küste an, einem der eindrucksvollsten Abschnitte des Mittelmeers: 40 km steilabfallende Kalksteinwälle über schillerndem Wasser, unterbrochen von Kieselsteinbuchten und durchzogen von Schluchten, die bis ins Meer reichen, um so Strände mit weichem, weißem Sand zu bilden. Pedra ist die einzige Sehenswürdigkeit, die direkt mit dem Auto über eine Panoramastraße zu erreichen und mit der SS 125 (Staatsstraße Ostsardiniens) verbunden ist: Nahe dem Felsen befindet sich ein Rastplatz mit einem Bar-Restaurant. Am Fuße der Spitze kann man sich auf einem Kiesel- Felsstrand entspannen. Der Meeresgrund ist von Felsplateaus geprägt und ein Ziel für Schnorchel-, Tauch- und Speerfischerei-Liebhaber. Nahe davon befinden sich die Baus-Wasserfälle, wo sich der Legende nach die Sarazenen bei ihrem gescheiterten Überfall auf Santa Maria Navarrese (Mitte des 19. Jahrhunderts) mit Wasser versorgt haben sollen. Hier kann man den hohen Felsen auch vom Meer aus besichtigen, auf eigene Faust oder mit einer geführten Tour mit Booten, die von den Häfen von Arbatax, Cala Gonone und Santa Maria abfahren und Sie zu den symbolträchtigen Stränden der Ogliastra bringen: Cala Goloritzè, Cala Biriola, Cala Mariolu und ihre „kleine Schwester“ Cala dei Gabbiani, Cala Sisine sowie die filmreife Kulisse von Cala Luna (auf halbem Weg nach Dorgali). Der Supramonte von Baunei birgt auch eine unterirdische Welt in sich, die das Ergebnis der unermüdlichen Arbeit des Wassers ist und tiefe Höhlen mit Stalaktiten und Stalagmiten, wie den Grotten del Fico und del Miracolo, umfasst. Acht Kilometer Serpentinen führen vom Bergdorf mitten in die Hochebene von Golgo, die auch dank su Sterru, der tiefsten einjochigen Karstkluft Europas, Berühmtheit erlangt hat.