Geöffnete Denkmäler, auf der Entdeckung architektonischer und künstlerischer Schätze
Pracht, Erinnerung, Authentizität und Gemeinsinn: Es handelt sich um die größte bürgerliche 'Mobilmachung' zum Schutz, der Aufwertung und der Förderung der Kulturgüter Sardiniens. Die zweiundzwanzigste Ausgabe von Monumenti Aperti, kandidiert für den Europa Nostra Award 2018, dem Preis der Europäischen Union für das Kulturerbe, stellt im Laufe von sieben Wochenenden das architektonische, historische und Naturerbe der Insel zur Schau. 800 Kulturstätten, zwischen Museen und archäologischen Stätten, Kirchen und historischen Gebäuden, Naturdenkmälern und Parks von 59 sardischer Gemeinden, von denen sieben zum ersten Mal an der Veranstaltung teilnehmen. Jede Gemeinschaft erzählt sich mittels literarischer Routen, Strecken urbaner Architektur, gezeichnet durch Jahrhunderte von Machtwechseln, und Reisen in die entfernteste Vergangenheit, zwischen den Überresten von antiken Zivilisationen. Ihr Besuch wird von der 'Erzählung' von 18tausend Freiwilligen begleitet, zum größten Teil Schüler von Schulen jeder Stufe.
Die Jazz&Blues-Seele Sardiniens
Von der Zeit geformte Granitbuchten, Bögen aus Sand, die Amphitheatern ähneln, zwischen Wänden aus weißem Kalkfels oder roten Porphyr gewonnenen Sälen, Plätze von beeindruckenden Orten, archäologische Stätten und sogar Seegrotten. Natürliche Flecken, oft eine Erinnerung an altüberlieferte Zeiten, werden zu Bühnen und werden mit den Noten von berühmten Interpreten aus aller Welt lebendig Von Mitte Juni bis September werden Jazz-, Blues-, Soul-, Rock-, Pop- und Schlagermusikkonzerte veranstaltet. Jazz in Sardinien, in Cagliari, Dromos Festival bei Oristano, Abbabula, mit Veranstaltungen auch im vornuragischen Zikkurat des Monte d’Accoddi (Sassari) und im Parco dei Suoni (Park der Klänge) von Riola Sardo, ein unnachahmliches Bühnenbild inmitten der Sandsteinbrüche, nahe der Ausgrabungsstätte der Helden von Mont’e Prama. Hier scheinen Akustik und natürliche „Säle“ speziell für die Musik entworfen zu sein. Und dazu die Veranstaltungen auf der Sinis Halbinsel, in Cabras: Exklusive Bühnen wie das Amphitheater der antiken Stadt von Tharros und der Strand aus Quarzkörnern von Is Arutas.
Die Inseln des Kinos, natürliche Räume unter dem Sternenhimmel
Vier Festivals auf den kleineren Inseln Sardiniens, den Inseln der Insel. Tavolara, ein Kalkberg, der aus dem Meer ragt, wird Mitte Juli zum riesigen Sternengewölbe-Saal des Filmfestivals Notte in Italia. Diese reizvolle 1991 ins Leben gerufene Veranstaltung ist mittlerweile ein „Klassiker“ des nationalen Filmpanoramas, bei dem sich alles um Regie und Kreativität des italienischen Kinos dreht. Publikum, Künstler und Fachleute treffen und lernen einander bereits auf den Schiffen kennen, die die Insel von Porto San Paolo aus, bei San Teodoro und etwas südlich von Olbia, erreichen, den drei in die 29. Ausgabe des Festivals eingebundenen Gemeinden. In fast dreißig Jahren haben die Sterne des italienischen Kinos den einzigen Roten Teppich betreten, der vom bezaubernden Meer des Meeresschutzgebietes Tavolara-Capo Coda Cavallo umspült wird. Una notte in Italia 2019 wird zur Wanderveranstaltung: Sie läuft Dienstag, den 16. Juli in der Naturoase der Lagune von San Teodoro an, verlegt den Schauplatz Donnerstag, 18. Juli nach Porto San Paolo, und ab Freitag, den 19. Juli auf die traumhafte Insel Tavolara.
Gehen wir hinaus, die Sterne wieder zu sehen
Wenig künstliches Licht und reine Luft, der Himmel über Sardinien ist geschützt vor Umwelt -und Lichtverschmutzung, frei, sein Bestes zu geben und im Dunkel der Nacht Mond, Sternbilder, Planeten und Meteore zu zeigen. Es ist Zeit für nächtliche Himmel ohne Einschränkungen, ein riesiges Planetarium, in dem man den ersten Sternen der Dämmerung von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht, die einsam und voller Energie oder mit dem „Supermond“ von Ende Mai erscheinen, der an seinem Perigäum, also in Erdnähe auf seiner Umlaufbahn, voll ist. Man kann Sternbilder und sehr weit entfernte Galaxien sehen und in jeder Jahreszeit gibt es eine Unmenge von Sternschnuppen, die schönsten davon im August, die für romantische Nächte mit den Augen nach oben gerichtet sorgen. Wer immer präsent ist, ist die Milchstraße, die man von den entlegenen Freilicht-Observatorien der Insel beobachten kann. Sie ist eine Flut von astralem Licht, die das Herz nach einem dunklen Winter höher schlagen lässt.
Herbst in Barbagia, auf der Entdeckung des Herzens von Sardinien
Erfahrene Frauenhände besticken Kleidung und Teppiche auf dem Webstuhl, arbeiten an Filindeu und anderen traditionellen Teigwaren und dekorieren Pintaubrote, die „de sos maistos“. Sie produzieren mit viel Sorgfalt Keramikvasen, führen Intarsien „arresolzas“ aus und kreieren filigranen Schmuck. In den Küchen der Cortes wird das Carasau gebacken und die gefüllten pan'e saba, pistiddu und durchicheddos zubereitet. Die Schreiner schnitzen das Holz der Sas Cascias, die Schmiede schlagen meisterhaft das Eisen, die Bauern pressen die gerade geernteten Trauben und die Hirten bereiten den Ricotta zu. Unterdessen genießen die Gäste die atemberaubenden Aussichten und probieren die gastronomischen Köstlichkeiten, begleitet von vollmundigen Weinen. Und sie unterhalten sich mit den Handwerkern, um die Bräuche von damals zu entdecken. Der Herbst in Barbagia ist eine Reise in das „Herz“ von Sardinien, eine Wanderausstellung über die Authentizität und Traditionen des Gebiets. Die Wochenenden in den vier Monaten werden durch kulturelle Exzellenz, Kunsthandwerk, und önogastronomische Spezialitäten belebt. Alles in den Haus-Höfen der Dörfer und Städte. Jede Gemeinde mit ihren Berufungen.
Die geheimnisvolle Faszination des Karnevals auf Sardinien
Mit dem Entfachen der spektakulären Feuer zu Ehren des Sant’Antonio Abate, einem alten, in vielen Orten der Insel verbreiteten, feierlichen Ritual, wird auch der Karneval in ganz Sardinien lebendig. Su Karrasegare hat zahlreiche Gesichter: jede Gemeinde feiert nach ihren eigenen Bräuchen, Ausrichtungen und Besonderheiten. Am 17. Januar wird er traditionell durch Feuer zum Fest des Sant’Antonio eingeläutet und endet am Aschermittwoch, der in Ovodda besonders ergreifend begangen wird. Die ersten Ereignisse des Jahres, die die Bevölkerung jeden Winter aufs Neue mit jahrhundertealten Traditionen beleben. Religiöse und heidnische Elemente, Leidenschaft und Identität, ansteckende Rhythmen und berauschender Schwung wie in Gavoi mit den festlichen Klängen der tumbarinos (Tamburinspieler). Während der Festtage gibt es überall auf der Insel typische Karnevalsspezialitäten: Saubohnen und Speck, pistiddu und coccone, Schmalzgebäck (zeppole) und guten Wein.
Valle di Lanaitto
Das am leichtesten zugängliche „Tor“ zu den schroffen Erhebungen des Supramonte ist berühmt für seine verschlungenen Pfade, die einst nur Hirten und Köhlern bekannt waren und heute als Wanderrouten zu natürlichen und archäologischen Schätzen führen. Das Lanaitto-Tal liegt eingebettet in einer bezaubernden Landschaft in den Gebieten von Oliena und Dorgali, zwischen imposanten Kalksteinbergrücken, die Dolinen, Schluchten, Felsnadeln und Höhlen hervorgebracht haben. Es wäre eine Mondlandschaft, wäre es nicht von üppigen, in tausend Grüntönen schillernden Wäldern bedeckt: jahrhundertealte Steineichen, Terpentin-Pistazien, Ahorne, wilde Olivenbäume und Wacholder säumen die gewundenen Schotterwege. Die Stille wird nur durch das Rauschen des Laubes unterbrochen. Zwischen Naturdenkmälern, prähistorischen Stätten und Pinnettos - Hirtenunterschlüpfen, die zu Schutzhütten für Wanderer geworden sind - kann man leicht auch Mufflons beobachten oder Adler im Flug erspähen. Nehmen Sie Ihre Wanderschuhe, Ihren Rucksack und Ihre Wasserflasche mit und vergessen Sie nicht Ihr Smartphone und Ihr Fernglas.
Von Oliena aus, nachdem man die Brücke über den Cedrino-See überquert hat, ist die Quelle Su Gologone die erste spektakuläre Etappe auf der Wanderung nach Lanaitto, kurz vor dem Betreten des Tals: kristallklares Wasser sprudelt aus einer tiefen Kluft. Rundum lädt der Schatten von Eukalypten, Oleandern und Weiden zu Picknick und Entspannung ein. Anschließend geht es zu Fuß in eine grüne Talsohle hinunter, die von den bei Kletterern bekannten Wänden gehütet wird: vor Ihnen bietet sich die Kalksteinkulisse des Monte Corrasi, hinter Ihnen die Basaltsäulen der Gollei-Hochebene, einer von der Natur geschaffenen „gotischen Kathedrale“. Ein baumgesäumter Weg führt zu den Eingängen der Grotten Sa Oche und Su Bentu, die miteinander verbunden sind und zu den längsten in Europa gehören, ein Paradies für Höhlenforscher. Im Inneren haben Karstphänomene kilometerlange Tunnel, bis zu hundert Meter hohe Hallen mit Stalaktiten und Stalagmiten sowie unterirdische Seen und Sandstrände geschaffen. Sa Oche bedeutet „die Stimme“, denn im Inneren dröhnt es, wenn bei starkem Regen Wasserströme austreten und das Tal überfluten. Der gleiche ungestüme unterirdische Strom hat Su Bentu (der Wind) gegraben, mehrmals „Theater“ von Überlebenskursen für Astronauten. In Lanaitto legen die Grotten Zeugnis von den ersten Homo sapiens auf der Insel ab. In der Corbeddu-Grotte, die etwas südlich der beiden anderen liegt, wurden dreizehn- bis siebentausend Jahre alte Menschenknochen sowie ausgestorbene Tiere gefunden. Die Höhle war der geheime Zufluchtsort des Gentleman-Banditen Giovanni Corbeddu Salis, als dieser untergetaucht war (1880-1898). Es heißt, dass der „König des Dickichts“ die Reichen bestahl, um es an die Bedürftigen zu verteilen, und in der Grotte ein „Gericht“ eingerichtet hatte, in dem Verdächtige nur bei eindeutigen Beweisen für ihre Schuld verurteilt wurden. Nach Verlassen der Grotte kommt man zum spätnuragischen Sa Sedda ‘e sos Carros. Seine Hütten umgeben einen heiligen Brunnen aus dunklen Basalt- und hellen Kalksteinblöcken, der im Mittelmeerraum einzigartig ist. Aus neun in den Stein gehauenen Mufflonköpfen sprudelte das Wasser und sammelte sich in einem kreisrunden, abgestuften Becken, das vielleicht für Liturgien diente. Die letzte Etappe auf der Rundwanderung durch das Tal ist der Berg Tiscali, auf dessen Gipfel sich ein Nuraghendorf verbirgt, das aus runden Hütten aus der Bronzezeit und rechteckigen Hütten besteht, die vermutlich in der Römerzeit angepasst wurden. Von Oliena aus, einem für sein Kunsthandwerk, sein Olivenöl und den Nepente-Wein berühmtes Dorf führen weitere reizvolle Wanderwege zum Gipfel des Monte Maccione, zur Scala Pradu, einer „Terrasse“ mit Blick auf die Corrasi-Gipfel, und zu Su Campu de Orgoi, einem in den Berg eingebetteten Hochplateau, von dem aus der Blick bis zum Supramonte von Orgosolo, Urzulei und Baunei reicht.
Safari made in Sardinia
Für sie ist Sardinien ein weitläufiger Park, eine glückliche Insel mit Naturoasen und Schutzgebieten, auch in kargen Landschaften, in denen keinerlei Schild diese als solche kennzeichnet. Die wenigen Einwohner der Insel lassen der zähen Natur, die von einer lebendigen Seele bewohnt wird und ein idealer Lebensraum für wilde Tiere ist, viel Raum. Diese Tiere hätten ohne die Grenzen des Meeres ihre Heimat schon lange verlassen und die Besonderheiten und wahrscheinlich auch die Freiheit, so zu leben, wie sie es gewohnt sind, verloren. Kleinpferde, Esel, Mufflons, Hirsche, Adler, Gänsegeier leben schon immer hier, andere kommen zum Überwintern, verlieben sich in Sardinien und fliegen nicht mehr weiter. Wie die Flamingos, die in den Feuchtgebieten hinter den Stränden ihre Nester bauen und so die Küstenlandschaft der Insel rosa färben.
Perdas Fittas zwischen Himmel und Erde
Orte voller Legenden und Eindrücke, eine Welt der Vergangenheit, die durch große Felsen zu uns spricht. Diese Stimmung erleben Sie in Pranu Mutteddu in Goni und Bir’e Concas in Sorgono, im grünen Herzen der Insel, wo hunderte Menhire zu finden sind: allein, zu zweit, im Kreis oder in langen Reihen aufgestellt symbolisieren sie rituelle Pfade, die sich wahrscheinlich an Himmelserscheinungen orientieren. Magie, Heiligkeit und magnetische Kraft, wie im berühmten Stonehenge, aber hier sind die Menhire viel älter und zahlreicher.
‘Wie ein Messer’ in den Boden getrieben, zeigen die Perdas Fittas (auf Sardisch, hineingesteckte Steine) zum Himmel und sind von einer märchenhaften Landschaft umgeben: jahrhundertealte Eichenwälder, Wiesen mit Alpenveilchen und wilden Orchideen, Lavendel- und Myrtebüsche, die ihren Duft verströmen. Auch der Himmel leistet seinen Beitrag: Die Sonne dringt durch die kraftvolle Natur und die spitz zulaufenden, langen Steine erstrahlen im schimmernden Licht. Sie sind Zufluchtsorte der Seele, sinnliche Orte, die die Fantasie anregen: Ist das alles wahr oder ist es ein von der Natur erzähltes Märchen?
Henry-Tunnels
Ein Labyrinth von in den Fels gehauenen Tunneln, die einen malerischen Blick auf die Südwestküste der Insel bieten. Der Besuch des Henry-Tunnels ist eine Zeitreise in das Innere der Pranu Sartu-Mine, der berühmtesten und produktivsten Mine von Buggerru. Die Hinfahrt erfolgt mit einem elektrischen Zug auf der Trasse der alten Dampfeisenbahn, die Rückfahrt zu Fuß durch den alten „Fußgängertunnel“, der einst von Maultieren begangen wurde. In den Fels gehauene Stege führen über die gesamte Länge der Klippe: Einige Abschnitte liegen im Dunkeln und werden nur gelegentlich durch riesige, in die Bergwand gehauene Fenster mit Blick auf das Meer von Licht erhellt. Die spektakulärste Aussicht bietet sich am Ende der Route: 50 Meter über dem Meeresspiegel blickt man auf eine atemberaubende Kulisse, die die Küste und die Häuser des Dorfes überragt.
Der Tunnel wurde in den letzten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts gegraben. Für die damalige Zeit galt dies als ein futuristisches Werk der Ingenieurskunst, das dem Tunnel von Porto Flavia in nichts nachstand. Die beträchtliche Größe des „Henry“ ist auf den Einsatz einer Dampflokomotive zurückzuführen, die ab dem späten 19. Jahrhundert durch die Anlage fuhr und den Transport des Roherzens von den unterirdischen Abbaustätten zu den Waschanlagen und danach zum Hafen ermöglichte, wo das gereinigte Erz auf Schiffe verladen wurde.
Die Ausbeutung der Mine zwischen dem Ende des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verwandelte ein kleines Bauern- und Fischerdorf mit einem Mal in eines der wichtigsten Zentren des Bergbauepos. Die industrielle „Revolution“ verlief überraschender und schlagartiger als in anderen Orten von Iglesias und Sulcis. Heute ist Buggerru, auch dank der Aufwertung der Industriearchäologie, eine der acht, von der Unesco als geologisch- bergbaulicher Park Sardiniens anerkannten Stätten, sowie ein reizvoller Ort mit bezaubernden Küstenlandschaften, darunter die einzigartige Cala Domestica und der wunderschöne Stadtstrand.
Die Minen waren Orte des Leidens, an denen sich ein Höchstmaß an Solidarität zwischen den Arbeitern und an Klassenbewusstsein entwickelte. Vor allem Pranu Sartu ist das Symbol des Arbeiterkampfes, wo 1904 das berühmte Massaker von Buggerru stattfand. Die bis zum Äußersten ausgebeuteten Bergarbeiter „wagten“ einen historischen Streik, den ersten in der Industriegeschichte Italiens. Die Bergbaugesellschaft rief daraufhin die Armee auf den Plan. Auf den Steinhagel der Bergleute reagierten die Soldaten mit Schüssen: drei Arbeiter starben, elf weitere wurden verletzt. Dieser Vorfall löste weitere Streiks in ganz Italien aus. Wenn Sie den Tunnel betreten, werden Sie eine ehrfürchtige Stille wahrnehmen, die durch den metallenen Klang der Waggons unterbrochen wird: In der Dunkelheit und Kälte kann man sich die grausamen Details vorstellen, die die Männer vergangener Tage erlebt haben, die mit Mühsal und Leid einen gerade noch angemessenen Lebensunterhalt für ihre Familien verdienen konnten.